Verweht vom Steppenwind

Das Leben und Wirken einer russlanddeutschen Lyrikerin

Rosa Pflug: „Ein Pechvogel bin ich schon, aber – mit starken Flügeln!“

Auszug aus dem Tagebuch (Berlin, 8. Oktober 2006):

„Draußen kühlt die frische Herbstnacht und der Wind pfeift sein endloses Lied. Eingesponnen in Erinnerung steh´ ich am Fenster, lausche dem Wind und schaue dem Vollmond ins Gesicht. Meine Gedanken gehen weit hinaus durch ein Gefilde zerronnener Träume. Erlebtes und Verwehtes zieht an mir vorbei. Ich sehe die winddurchwehten Steppen Kasachstans und die weitgedehnten Ährenfelder um Antonowka – und denke an meine Eltern und meine acht Geschwister. Keiner von uns war ein Sonntagskind. Jeder wurde vom Schicksal geprüft. Seit der Zwangsübersiedlung 1941 fühlten wir uns nirgendwo so richtig zu Hause in der rücksichtslosen Welt und lebten gelassen und redlich unser Durchschnittsleben. Jeder auf seine Art und Weise. Die Sehnsucht nach dem Heimatort blieb im Herzen. Aus Tagen wurden Nächte und aus Nächten wurden Tage. Die Sonne ging auf und ging unter. Der Winter wurde zum Frühling und der Herbst stürmte in den Winter… Was geschehen sollte, geschah und was nicht geschehen ist, hat nicht sollen sein. Ein glänzend unromantisches Leben. Glücklicherweise und schicksalmäßig kehrten wir endlich zurück in unsere historische Heimat. Spätaussiedler? Nein, wir sind Heimkehrer, deutsche Spätheimkehrer. Die Erde dreht sich unentwegt um die Sonne, das Leben geht seinen Lauf und der Tod gleicht alles aus. Doch was ist eigentlich DAS LEBEN? Dazu ein französischer Sinnspruch:

Du fragst mich,

was das Leben sei?

Man träumt und hofft,

dann ist´s vorbei.“

* * *

I. Heimatdorf Antonowka

Rosa Pflug, geboren am 19. Januar 1919 im Dorf Antonowoka, war das drittälteste von insgesamt 9 Geschwistern (Johannes,Valentin, Ida, Agnes, Ella, Katja, Maria, Lydia). Die jüngere Schwester Ida wurde viele Jahre später für Rosa zum Schutzengel. Seit 1959 lebten die beiden Schwestern in einem gemeinsamen Haushalt.

Auszug aus dem Tagebuch (Berlin, 31. August 2004):

“Im Sommer 1959 besuchte mich mein Schwesterlein Ida. Wir urlaubten am Irtysch und auf der Wiese zusammen mit der Familie Josef und Fanny Schill, bei denen ich in Untermiete lebte. Eines Tages fragte mich Ida, ob ich mit meinen vierzig Jahren noch ans Heiraten denke. Ich verneinte, worauf Ida erwiderte, ob es nicht besser wäre für uns beide – zusammen zu wirtschaften, denn auch sie würde nie heiraten. Gesagt – getan. Nun leben wir zusammen schon viele Jahre und sind das „Zentrum“ unserer großen Pflug-Familie. An Feiertagen und Geburtstagen kommen gewöhnlich alle unsere Geschwister zu uns. Dann wird gefeiert wie früher in Antonowka. Auch in Pawlodar war es so. Johannes und Ella kamen aus Ekibastus, Katja aus Nowotroizk. Maria, Agnes, Lydia und Valentin, die Pawlodarer, sowieso. Da waren die „neun Negerlein“ froh und glücklich. Heute sind Johannes und Maria „dort oben in jener besseren Welt, wo alle Leiden schwinden“. Wir sieben Hinterbliebenen leben im schönen Deutschland und sehen uns alle Schaltjahre mal wieder, dann heißt der Tag „Undweißtdunoch“ oder „Zu Hause war alles so schön“ oder auch „Schön ist die Jugend“.”

Rosa wuchs in dem deutsch-katholische Dorf Antonowka im Gebiet Saratow auf. Saratow befindet sich im europäischen Teil Russlands. Die Stadt liegt an den Rändern des Hügellandes der Wolgaplatte und erstreckt sich bis an das Ufer der Wolga, die hier zum Wolgograder Stausee gestaut wird. Rosas Vater Valentin Pflug war Mitbegründer der ersten Kolchose (landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft in der Sowjetunion) in Antonowka. Der Hintergrund dieser russlanddeutschen Dörfer, ist das Manifest von Zarin Katharina II vom 22. Juli 1763. In diesem Manifst wurden die Bauern und Handwerker westeuropäischer Länder eingeladen, nach Russland überzusiedeln. Viele Privilegien wurden ihnen dabei zugesichert, wie u.a. „Unentgeltliche Zuweisung unbebautes Landes“, „Befreiung vom Militärdienst“, „Gewerbefreiheit und freie Religionsausübung“. Das Leben der ländlich-bäerlichen Gemeinde war gekennzeichnet von dem Bestreben ihre Kultur, Religion und nationale Zugehörigkeit zu bewahren. Sie lebten in geschlossenen homogenen Siedlungen. Charakteristisch für die Organisation des deutschen Dorfes war die feste Sozialstruktur, in die jede Familie verwoben war. Augrund der ihnen zugestandenen Privillegien konnten die Deutschen ihre Kolonien selbst verwalten und das Leben dort nach ihren Richtlinien gestalten. Da als Amtsprache die deutsche Sprache beibehalten werden konnte, wurde diese als identitätsstiftendes Element gepflegt und über Generationen hinweg weiter gegeben. Als Träger des Bewusstseins ihrer nationalen und religiösen Identität sind Kirchen und Schulen der Russlanddeutschen anzusehen.

Auszug aus dem Tagebuch (Pawlodar, 18. Oktober 1957):

Zehnjährig, verdingte ich mich selbständig als Kindsmädchen bei der Frau des Schuldirektors, Johannes Singer, der auch unser Deutschlehrer war. Mutter war beängstigt, Vater staunte über meine Selbständigkeit, doch sie ließen mich gehen, wohin ich wollte. So verbrachte ich die Sommerferien in der Familie des Schuldirektors. Seine Frau hieß Katharina, ich nannte sie Tante Katja. Drei Kinder wuchsen heran in dieser Familie, und ich war ihr Kindermädchen und war sehr stolz darauf. Nach Abschluss meiner „Dienstzeit“ schenkte mir Tante Katja nagelneue Schuhe und Stoff für ein Sommerkleid. Weiße Seide mit blauen Blümchen. Später wusste ich – es waren Kornblumen.

Dreizehnjährig, begann ich Tagebuch zu schreiben, obwohl ich wusste, dass ich nichts Wichtiges zu schreiben haben würde. Und so schreibe ich bis heute mit kleineren und größeren Unterbrechungen, wobei die Notizen immer kürzer und immer seltener werden. Zum Glück.“

1935 beendete sie die Landschule und begann ein Fernstudium am Pädagogischen Technikum in Marxstadt (deutsche Wolgarepublik), welches sie 1941 beendete. Seit ihrem 16. Lebensjahr unterrichtete sie als Dorfschullehrerin auch gleichzeittig an der deutschen Schule in Antonowka. Ihre Schwester Ida beendete die Dorfschule und machste eine Ausbildung als Näherin.

Auszug aus dem Tagebuch (Pawlodar, September 1950):

„Ich liebte meine Schüler und sie liebten mich. Wir brauchten einander und verbrachten unsere Freizeit mit Ausflügen in die Umgegend, halfen frühlings und sommers bei den Feldarbeiten und veranstalteten in der Lesehalle oder im Dorfklub Konzerte für die Erwachsenen, die immer sehr dankbare Zuschauer waren.“

II. Zweiter Weltrkieg und Arbeitslager

Ihr Vater Valentin Pflug wurde 1935 als sogenannter „Volksfeid“ verhaftet und in die Taiga verbannt. Er kam ins KZ bei Uchta und verstarb dort im Jahre 1942. Als Tochter eines „Volksfeindes“ wurde Rosa der Lehranstalt verwiesen . Ihre gesamte Familie wurde Anfang 1941 nach Kasachstan zwangsübersiedelt. Ihnen wurden Haus und Hof sowie ihr geamtes Hab und Gut weggenommen. Sie standen unter Sonderkommandatur in Verbannung bis 1956. Rosa wurden mit ihren Geschisterb in die Trudarmee (Arbeitslager) im Gebiet Archangelsk (Archbumstroi) geschickt. Sie mussten im hohen Norden hinter Stacheldraht schweren Frontdienst leisten. Jahrelang schufteten sie im kalten Norden im täglichen Kampf gegen Hunger und Kälte über den Zeitraum des zweiten Weltkrieges und darüber hinaus bis 1950. Rosas Mutter Barbara Pflug verstarb 1955 in Kasachstan.

Auszug aus dem Tagebuch (Pawlodar, September 1950):

22. Juni 1941. Der sonnige Sonntag war ein Arbeitstag, und wir erfuhren die schreckliche Nachricht vom Krieg erst in der Mittagspause. Von diesem Augenblick an war unser Leben in zwei Teile geteilt: Alles bis dahin Erlebte lag nun in der Zeit vor dem Krieg, alles Kommende waren seine Folgen. So wird es bleiben für immer. Nie können wir vergessen, dass unser weiteres Schicksal von diesem konkreten Datum bestimmt wurde.“

Der Zweite Weltkrieg und seine Folgen stellten für die Gruppe der Russlanddeutschen die schwerste Krise dar. In den Dorfschulen wurde von einem auf den anderen Tag im Jahr 1939 die russische Sprache als Unterrichtssprache eingefügt. Die folgende Zeit war gekennzeichnet von einer physischen, wirtschaftlichen und kulturellen Vernichtung der deutschen Ethien. Bis in die Mitte der fünfziger Jahre dauerte die erzwungene Assimilation und Russifizierung. Die Bewohner des Dorfes Antonwoka wurden komplett deportiert. Männer und Frauen in ein Arbeitslager gesteckt und zur Zwangsarbeit gezwungen. Jegliche Erinnerungen an die deutsche Kultur sowie Sprache wurden vollständig aus dem öffentlichen Leben verdrängt. In zahlreichen Gedichten thematisiert Rosa Pflug diese Zeit, voller Entbehrungen, Todesangst und Hoffnung. So auch in dem folgenden, 1976 geschriebenen Gedicht:

Im Hinterland

Ich war

im Frondienst

bei Archangelsk.

Polarlicht.

Graue Holzbaracken

Nadelwald und Schnee.

*

Mit Stacheldraht

war unser Domizil umgeben.

Man nannte uns gewöhnlich

„Njemutschastok“

und unsre Fraueneinheit

„Trudarmee“.

*

Es durfte niemand,

niemand klagen

am neblig trüben Dwinastrand.

Vorschlaghammer,

Karren, Tragen

fügten sich der Frauenhand.

*

…es war im Hinterland.

Der Himmel über uns

war durch und durch

von Scheinwerfern durchlöchert

und Brandgeschosse detonierten

südwärts irgendwo…

*

Kugeln schwirren

weit entfernt von unsren Dächern –

durchbhrten aber unsre Herzen…

Uns blieb nichts übrig:

Wir verbissen unsre Schmerzen

und morgens früh gings wieder los

mit Schubkarren,

mit Brechstangen

und Spaten…

Jeden Tag das gleiche Los,

die karge Brotration

für uns Moorsoldaten.

*

Nein, wir vollbrachten keine Heldentaten.

Und hohe Auszeichnungen

wurden und nicht zuteil.

Wo seid ihr heute, meine

Leidenskameraden?

In welche Himmelsrichtungen

seid ihr verstreut?

*

Ihr denkt gewiss wie ich an jene Jahre,

an jenen Wald und jenen Schnee,

an das Polarlicht über uns…

Wir hatten damals keine Rechte,

nur noch Pflichten und schafften täglich

unsre zwölf Stunden.

*

Wo haben wir nur

Kraft und Zeit gefunden

für Handarbeiten,

Lieder und Gedichte,

zum Lachen und zum Weinen?

Gab`s irgendwann so etwas schon?

*

Freundschaft und vereintes Streben,

diesen Graus zu überleben,

hielten unsre Herzen warm,

war der Wald auch sonnenarm.

Wir teilten Leid und Freud und Not,

sowie das letzte Krünchen Brot.

*

So mancher Wind

wird mich noch streifen

und schenken manchen Blätterfall…

Doch die Erinnerungen

an jene Zeiten

bleibt für immer, überall…

* * *

Nach dem Krieg siedelten die Geschiwster Rosa, Ida und Agnes nach Krasnokutsk in Kasachstan um, weil es den Russlanddeutschen nicht gestattet war in ihre Heimatdörfer zurückzukehren. An ihre alte Lebensweise wie vor dem Krieg war nicht zu denken, denn diese wurde zerstört. Sie hatten ihre Heimat verloren und waren gezwungen einen neuen Lebensweg einzuschlagen.

III. Neues Leben: Kasachstan, Pawlodar

Seit 1950 lebte Rosa in Kasachstan, wo sie in Krasnokutsk (Gebiet Pawlodar) als Deutschlehrerin tätig war – sie war Lehrerin von Berufung. Sie studierte extern Fremdsprachen in Moskau und absolvierte im Fernstudium das Pädagogische Institut in Koktschetaw. Schon in der Trudarmee widmete Rosa Pflug jede freie Stunde der Laienkunst. Diese Liebe zur Volkskunst war es wohl auch, was Rosa so aktiv an der Entstehung des Volksensembles „Ährengold“ teilnehmen ließ, der ersten russlanddeutschen Laienkulturgruppe für Gesang und Tanz in der UdSSR der Nachkriegszeit. Ihr verdankt das später berühmt gewordene Ensemble auch den klangvollen Namen „Ährengold”, die Kulturgruppe wurde 1974 von Jakob Gering, Rosa Pflug und Alexander Schiller gegründet. Sie war es auch, die alle Programme zusammenstellte, die Zeitungen und Sammelbände nach deutschen Volksliedern durchforstete, Texte für die Moderatoren schrieb und Liedertexte zu Schillers Musik für den Chor dichtete. So entstanden ihre gemeinsamen Lieder „Mein Heimatdorf”, „Abschiedslied” und andere. Auch viele andere Komponisten haben die Texte von Rosa Pflug, die voller Musikalität sind, vertont, etwa Friedrich Dortmann, Helmut Eisenbraun, Emanuel Jungmann und andere – insgesamt mehr als 60 Lieder, damit steht sie an der Spitze der russlanddeutschen Dichter. (Quelle: https://rusdeutsch.eu/Nachrichten/3365)

IV. Zurück in die historische Heimat

Auszug aus dem Tagebuch (Pawlodar, 18. Oktober 1957):

„Der Mensch muss auf Erden einen Platz haben, über den er sagen kann: Hier lebe ich, hier liebe ich. Über mich konnte ich das nie sagen. Würde gern spurlos aus dem Leben verschwinden, dachte und denke oft darüber nach und finde keine Lösung, weil ich ein Feigling bin.“

Seit Ende 1994 lebte Rosa Pflug in Berlin. Die ersehente Rückkher nach dem Krieg in die angeborene Heimat hatte nicht richtig gefruchtet, zu groß war die Kluft in den Herzen der Russlanddeutschen. Viele begannen nach Deutschland auszuwandern, in ihre historische Heimat. Seit Ende 1994 lebte Rosa Pflug in Berlin: „Zermürbt und zermahlen, beginnen wir nun neue Wurzeln zu schlagen – im Hier und Heute.“ (Interview mit Rosa Pflug; https://rusdeutsch.eu/Nachrichten/3365)

Auszug aus dem Tagebuch (Berlin, 2006):

Rosa Pflug „Die Etappen meines Lebens“ 

1936 – 1941. Dorfschullehrerin, beteiligte mich an der Laienkunst, rezitierte Gedichte in Deutsch und Russisch, beteiligte mich an Festivalen im Rayonzentrum, in Saratow, Engels und Marxstadt.

1941 – 1950. Verbannung nach Kasachstan, mobilisiert in die Trudarmee. Archangelsk, Archbumstroi. Verschiedene Arbeit, Leben hinter Stacheldraht, unter Konvoi. In der seltenen Freizeit – Teilnahme an der Laienkunst im Nemutschastok, unserer Barackensiedlung. Ich trug eigene Verse in russischer Sprache vor und Gedichte russischer Autoren.

1950 – 1959. Demobilisiert im Juli 1950, kehrte ich zurück nach Kasachstan, Krasnokutsk, Gebiet Pawlodar. Arbeitete als Buchhalter und Deutschlehrerin an der Abendschule. Laienkunst. Mit Agitbrigaden durch die Dörfer des Gebiets, rezitierte Gedichte und Prosa. Teilnahme an der Gebietsschau der Laienkünstler. Urkunden und Diplome.

1959 – 1966. Dorf Leningradskoje, Gebiet Koktschetaw. Buchhalter der Rayon-Kulturabteilung und Deutschlehrerin an der Abendschule. Mit Agitbrigaden Konzerte in den Dörfern des Rayons. Teilnahme an Rayon- und Gebietsfestivalen der Laienkunst. Urkunden, Diplome.

Von 1966 bis 1994 – in Pawlodar. Deutschlehrerin an der kasachischen Abai-Mittelschule und gleichzeitig Deutschlehrerin an der Abendschule Nr. 3. Seit 1974 – Rentnerin. Treffen mit Schülern, Studenten und Deutschlehrern des Gebietes. Unterstützte das erste deutsche Volksensemble Kasachstans – „Ährengold“, für das ich Lieder- und Ansagertexte schrieb, trat einige Mal im Deutschen Radio Alma-Ata auf mit meinen Gedichten und Kurzgeschichten.

Auszug aus de Tagebuch (Berlin, 21. September 2006):

„Donnerstag. Wieder Herbst. Der Sommer 2006 war ein Märchensommer. Fußball-WM in Berlin. Ich habe alles im Fernsehen miterlebt, kein Spiel versäumt. In diesem Fußballmärchen stand Berlin Kopf. Auf den Straßen – fröhlich verrückte Fans, Fahnen und Fähnchen aller an der Weltmeisterschaft beteiligten Länder, Fahnen und Fähnchen an allen Autos und Bussen. Schwarz-Rot-Gold überall. So ging es von einem Spiel zum anderen und die Stimmung steigerte sich immer mehr. Siegesrausch. Deutschland und besonders Berlin – ein Land des Lächelns, alles leuchtete und strahlte. Selbstvertrauen. Begeisterung. WIR-Gefühl ohnegleichen. Wir sind WIR! Wir stehen zu unseren nationalen Symbolen und sind stolz auf unser Vaterland. Unsre Nationalelf steht im Halbfinale, wir fühlen uns als Weltmeister! Und dann – Deutschland gegen Italien 0:2. Italien schoss unsere junge sympathische Mannschaft aus dem Rennen. Der schöne Traum endete in Tränen. Diese Halbfinale-Niederlage war ein Schock, ein bitterbitteres Ende, ein Blitzeinschlag und blankes Entsetzen. Doch Deutschland wurde dritter und Weltmeister der Herzen, denn es war ein guter Gastgeber und zeigte Fairness gegenüber den Gegnern. Die deutsche Nationalelf spielte für das Volk, deshalb ist die „gemachte“ Niederlage, die uns mitten ins Herz getroffen hat, in Wirklichkeit ein Sieg. Und das Leben geht weiter.“

Auszug aus dem Tagebuch (Berlin, 30. August 2013):

„Am 30. August 2010 starb meine Schwester Ida. (…) Ida, die immer so starke, immer so hilfsbereite, immer den Menschen Zugewandte, hatte nur noch einen Wunsch – atmen zu können. Wie eine Schneeflocke leicht, schwebte sie leise hinüber in die andere Welt. Sie war mein Schutzengel auf dieser Erde bis zum letzten Atemzug…

„Bedenke: den eigenen Tod,

den stirbt man nur;

mit dem Tod der anderen

muss man leben.“ (Mascha Kaleko; 1907 – 1975)

Also lebe ich mit gebrochenem Herzen und traurige Seele. Ich habe die Trauer noch lang nicht überwunden, lebe so in den Tag hinein und und suche Trost und Halt beim Bücher –Lesen und Auswendig lernen von Gedichten. Nur nicht die eigenen! Weg von ihnen! Je weiter, desto besser! Auf ihnen liegt der Staub der Vergangenheit.“

* * *

Aus dem Nachruf von Nina Paulsen (https://rusdeutsch.eu/Nachrichten/3365):

Ihre warmherzige, feinfühlige Poesie hat zahlreiche Leser dort wie hier tief berührt, zum Zweifeln und Grübeln gebracht und Menschen wie sie selbst, „die mit leicht verwundbarer Seele durchs Leben gehen, das Gute suchen und das Böse hassen“ immer wieder Mut gemacht. So bleibt sie auch in Erinnerung ihrer dankbaren Landsleute.