HEISS

Heiß! heiß! – den ganzen Tag über klingt dieses Wort in der Wohnung, seit Manjascha laufen gelernt hat. Manjascha ist ein schwarzgebranntes kleines Wesen mit apfelrunden Bäckchen und schneeweißen Zähnchen, die ziemlich weit voneinander wachsen. Überaus neugierig, will Manjascha alles sehen, alles hören und alles berühren. Sie liebt die Manege nicht, in der sie dennoch nicht wenig Zeit verbringen muss. Anfänglich spielt sie ein bisschen, jauchzt und johlt und krakeelt, dann hat sie das Alleinsein satt und möchte heraus aus ihrem schönen „Käfig“, möchte gern in den Zimmern herumstöbern, im Bücherregal herumkramen, die Steckdosen an der Wand betasten – alles ist unerreichbar, wenn man eingesperrt ist. Deshalb beginnt Manjascha laut zu weinen. Sie klammert sich an der Manegewand fest, schaukelt sich so stark hin und her, dass die Manege fast umkippt, dabei flennt Manja bittend und kläglich. Aus ihren schwarzbraunen Äuglein kullern große durchsichtige Tränen. Mutti kommt aus der Küche herbeigeeilt, bietet dem Töchterlein neue Spielsachen an, aber Manjascha ist zutiefst beleidigt, als dass der Kater Antoscha, der Hund Hauhau oder der Clown Wassja in diesem Augenblick einen Trost bieten könnten. Nimm mich raus! flehen Manjas Äuglein, und helle Tropfen rollen über die runden Bäckelchen.

Endlich ist Manja frei! Sie klatscht freudig in die Händchen, – so drückt sie ihren Dank aus, – und trippelt schnurstracks zum Bücherregal. Heiß! heiß! lispelt sie und schaut Mutti schelmisch an. Schweigt diese und lächelt, darf Manja bisschen in den Zeitschriften herumwühlen. Sagt Mutti aber „heiß“, muss Manja gehorchen, was sie auch gleich tut. Aber schon eilt sie zur Steckdose, bestrebt, das Fingerchen in die schwarzen Löchlein zu schieben. Oma hat alle erreichbaren Steckdosen umsichtig mit Leukoplast zugeklebt, deshalb steuert Manja einem neuen Ziel zu: dem Nachttischlein. Auch da ist nicht viel los. Die Schublade ist verschlossen und das Schlüsselchen fehlt. Heiß, meint Manjascha und blickt enttäuscht umher. Momentan findet sie ein neues Objekt. Flink wie ein Wiesel rennt sie zum Fernseher und grapscht nach dem Umschalter, aber schon ertönt Omas Stimme. Tief beleidigt setzt Manja sich auf den Fußboden hin und schaut unzufrieden drein. Was ist das schon für ein Leben, wenn alles ringsum heiß ist und man nichts anrühren darf? kann man in ihren Äuglein lesen. Da huscht ein neuer Gedanke über ihr Frätzchen, und die flinken Fingerlein beginnen hastig feine Härchen aus dem flauschigen Läufer herauszuziehen. Ebenfalls eine Lieblingsbeschäftigung, aber wieder hört Manja das üblige Wort. Sie nickt zustimmend, rafft schnell die Härchen zusammen, versteckt sie in ihrem Fäustchen – und krabbelt unter den Tisch, fest überzeugt, dass sie nun unerreichbar ist…