Moni ist ein niedliches fünfjähriges Persönchen, das es faustdick hinter den Ohren hat. Sie liebt die Mannsleute nicht. Nur einem ist sie gut: dem Onkel Reinhold. Denn er meint es immer ernst mit ihr. Kommt Onkel Reinhold zu ihnen ins Haus, was sehr selten passiert, so findet er immer ein klein bissel Zeit für sie. Er nimmt sie auf den Schoß, streichelt ihr den rötlichen Wuschelkopf und fragt gewöhnlich in tiefem Bas: „Wie gehts, Fräulein Monika?“ „Gut gehts, besonders wenn Sie da sind“, erwidert Moni schlagfertig und schaut dem lieben Onkel lachend in die Augen. Aber Mami bringt schon das Zeichenbrett angeschleppt. Papier und Reissgerät werden parat gelegt. Mami ist Baumeister. Sie muss viel zeichnen und berechnen. Der Arbeitstag reicht oft nicht aus, deshalb sitzt sie daheim noch über verschiedenen Zeichnungen und Modellen. Manchmal klappt ihr was nicht recht und sie bittet ihren Chef um Rat. Sie erlaubt sich das nur im äußersten Fall, darum eben sieht Moni den Onkel Reinhold so selten, selten. Alles ist zur Arbeit vorbereitet. Onkel Reinhold drückt Monika eine Tüte in die Hand und schiebt sie sanft zum Sofa. Sie darf jetzt nicht stören. Ganz ruhig sitzt sie da und lutscht Bonbons. Mami geizt nie mit Süßigkeiten, aber die geschenkten schmecken immer besser! Eine Zeitlang hört Moni den beiden zu, dann schlüpft sie geräuschlos durch die Tür, stürmt die Treppe hinunter, hinaus zu ihren Freundinnen. Redlich teilt sie den Inhalt der Tüte in drei gleiche Teile: Tanja, Elli, Moni. Ach, warum fragen sie bloß nicht, von woher die vielen Bonbons kommen? Moni würde es gewiss nicht sagen, aber schön wärs, gefragt zu werden. Beim Schlafengehen denkt Moni darüber nach, warum Onkel Reinhold ihr so gut ist und warum sie ihn so liebt. Und sie schläft ein. Und sie träumt süß. Von ihrem Papi. Und Onkel Reinhold ist´s. Eines Morgens überrascht Moni ihre Mama mit der schikanen Frage, wie lange denn ihr Papi noch auf Dienstreisen sein könnte? „Er ist ganz weggefahren“, sagt Helga kurz und wendet sich ab. „Weggefahren?“ betont Moni das letzte Wort und ihr tapferes Herzchen pocht triumphierend. Moni wird sich selbst einen Papi suchen. Einen, der nicht immer und ewig auf Dienstreisen sein wird. Sie nimmt ihre Puppe Lissi und geht hinunter zu Tanja und Elli. Nach langen geheimen Überlegungen beschließt Moni, sich den Onkel Reinhold zum Papi zu nehmen. Warum auch nicht? denkt sie mit leiser Hoffnung. Ist sie doch ein braves Mädchen, die Moni. Alle Omas im Hof sagen das. Auch Mami. Monika wartet auf Onkel Reinhold. Wartet im Frühling, wartet im Sommer. Springt bei jedem Klingelzeichen zur Tür: Wer da?! Wiedermal ist Monika allein zu Haus. Sie denkt. Und findet einen Ausweg… Sie zerreisst Mamis Zeichnungen in winzige Stückchen und wirft sie in den Mülleimer. Dann holt sie vom Bücherregal einen reinen Papierbogen, befestigt ihn so gut sie kann aufs Zeichenbrett, legt Zirkel, Bleistifte, Radiergummi und Lineale daneben. So! Jetzt muss er mithelfen, der Onkel Reinhold, und sie, die Moni, macht ihm dann ihren Vorschlag… Abends sieht Helga die Zerstörung und will losdonnern, aber Monika entwaffnet sie rundweg: „Du hast sowieso alles falsch gemacht ohne Onkel Reinhold.“ Helga wird feuerrot und schweigt betroffen… Noch mancher Tag vergeht. Draußen herbstelt es schon. Da kommt Moni vom Spielen nach Hause und sieht den Langersehnten. Sie stutzt – und wirft sich ihm mit lautem Freudenruf in die ihr entgegengestreckten Arme! Schmiegt den rötlichen Wuschelkopf an die breite Brust: „Papi! Mein Papi!“ ruft sie überglücklich. Helga kriegt knallrote Ohren und vergräbt das Gesicht in beiden Händen. Reinhold lacht herzlich: „Gesagt ist gesagt! Dein Wort, Helga!“ Sein Blick hängt an ihren Lippen. Gegenseitiges Schweigen, das von Moni ungeduldig unterbrochen wird: „Darf er bleiben, Mami? Darf er? Bitte, bitte!“ „Er darf“, flüstert Helga verwirrt und drückt Monika fest an sich. Moni küsst ihre Mami stürmisch, reist sich los und eilt davon. Die Treppe hinunter! Vor Freude außer sich! Strahlend vor Glück! „Gefunden! Papi gefunden!“ ruft sie schon von weitem den Freundinnen zu – und teilt ihre Tafel Schokolade in drei gleiche Teile: Tanja, Elli, Moni.
1970