LIEBE

Schwerlich zu sagen, wem von meinen Schülern die Idee gekommen war, einen Poesiezirkel zu gründen. Die Leitung des Zirkels wurde einstimmig mir übertragen, vielleicht weil man wusste, dass ich manchmal Gedichte in den deutschsprachigen Zeitungen veröffentlichte.

Bald strömten die „poetischen …

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DIE ÜBERRASCHUNG

Wir – meine Schulfreundin Lina und ich – waren damals frischbackene Studentinnen am Saratower Fremdsprachentechnikum und standen in Untermiete bei einer alten Frau mit großen nachdenklichen Augen. Tante Schura hieß die Frau. Sie war gutmütig und fürsorglich und wollte, dass …

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USSOLKA

Selten nur komme ich hierher zu dem stillen Flüsschen Ussolka, das langsam und unmerklich dahinschlängelt über eine weitausgedehnte Wiese südöstlich von Pawlodar. Das Flüsschen siecht menschenvergessen dahin, und seine Ufer werdem mit jedem Jahr schmäler und undeutlicher, überwuchert von dichtem …

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TAGE AM MEER

Ich liege auf sonnenwarmem Sand am Meeresufer. Meine Blicke folgen verträumt den weißgrauen Wolkentrauben am hellblauen Himmel, und ich lausche stumm den bewegten Schreien der Möwen, die sich auf schäumenden Wogen wiegen und einander zu überkreischen suchen. Ein durchdringend erhabenes …

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KORNBLUMEN

Kornblumen, Kornblumen blau

                                                            schimmern am Wegrand verwegen…

Wie lange habe ich dieses Lied nicht gehört?

Bis zum Großen Vaterländischen Krieg waren noch etliche Jahre geblieben. Wir Dorfmädchen sangen dieses Lied beim Jäten der Roggen- und Weizenfelder in unserem Kolchos.…

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VORAHNUNG

Geschmeidige Stille liegt in der Luft. Glückliche Tage! Es ist schon nicht mehr sommerheiß, aber auch noch nicht herbstlich kühl. Manchmal fällt ein reifer Apfel vom Baum. Dumpf tönt es dann in die Stille hinein. Betäubend duften die dunkelroten Rosen …

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BRIEFE

Alte vergilbte Briefe, eingehüllt in stille Entfernung und grauen Erinnerungsnebel, kommen sie heute nur selten ans Tageslicht, nur wenn ich meinen Arbeitstisch revidiere…

Es gab Zeiten, da diese Briefe mich erfüllten mit zärt1icher Dankbarkeit und heißem Fernwehgefühl, mit verzweifelter Unentschlossenheit …

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BLUMENFEST

Ein heiterer Sonntagsnachmittag. Ende August. Unter den vergoldeten Baumkronen des Stadtparks, am Kiosk, leuchtet und wogt ein farbenprächtiges Blumenmeer. In Eimern, Schüsseln, Kübeln und Körben stehen kunstge- recht zusammengelegte Blumensträuße. Schön wie die Blumen sind auch die jungen Verkäuferinnen, die …

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DAS WEISSE WUNDER

Es hatte lange geregnet. Wolkenzerzaust hing der Himmel über der Stadt. Auf der Wiese blühten die Faulbäume, und es zog mich unwiderstehlich in die Ferne. Die Flussfähre brachte mich hinüber ans linke Irtyschufer, und ich machte mich auf die Suche …

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