DER MOND ÜBER ANTONOWKA

Schon damals schien es mir, einen so schönen Mond könne es nur über meinem Heimatdorf geben. Er leuchtete uns, wenn wir abends in den Klub eilten und begleitete uns mitternachts auf dem Heimweg, wenn die Straßen von jungen gedämpften Stimmen beherrscht waren. Er blickte in die strahlenden Augen der Dorfmädchen und spiegelte sich darin in Form von glücklichen Goldfünkchen wider, die jedes Mädel zu einer geheimnisvollen Märchenfee machten.

War abends im Klub kein Tanz, spazierten die Jugendlichen in den verzweigten Alleen des Schulparks, wo schneeweiß der Flieder blühte, Nachtschatten und Lavendel berauschend dufteten und die Akazienbäume kaum hörbar flüsterten. Vielversprechend und rührend klangen die alten deutschen Volkslieder, gesungen von frischen jungen Stimmen. Der Mond schwebte über dem schlummernden Dorf bis die Stimmen verklangen in der nächtlichen Stille. Dann badete er noch lange im Teich. Ein goldglänzender Streifen schnitt den Teich in zwei Teile. Im glatten Wasserspiegel liebäugelten miteinander drei mächtige silberschillernde Weiden, die nah am Ufer bei der Dammbrücke wuchsen.

Wie oft folgten damals meine Blicke dem Mond über Antonowka! Warum aber weinte ich, wenn es mir so leicht, so warm und hell ums Herz war? Woher kam der beglückende Seelenschmerz, der mich ruhelos auf der Brücke umherwandeln und in die nächtliche Stille hineinlauschen ließ? Schon damals fühlte ich, wie wenig und zugleich wie viel der Mensch brauche, um glücklich zu sein: das Elternhaus, das Heimatland und ein Fünkchen Liebe dazu…